Schön!hauser für die Menschen – was soll das denn nun schon wieder? Ist doch jetzt schon alles voller Menschen…?
So viele sind es gar nicht – sie müssen sich aber auf schmalem Raum drängeln – besonders gut zu beobachten an Orten wie dem S+U-Bahnhof Schönhauser Allee vor dem Einkaufszentrum Arkaden. Zu Fuß und mit dem Rad, ein heilloses Durcheinander.
Warum ist es auf dem Gehweg so eng? Jenseits der Bordsteinkanten ist viel Platz: drei Autospuren, eine davon darf alle 10 min auch mal die Tram benutzen. Das war der Auslöser für die Frage an das Planungsbüro Gehl architects 2015: wie könnte man die Straße als Angebot für die Menschen gestalten?
Deren radikalster Entwurf verbannte sämtlichen Autoverkehr auf die Westseite der Schönhauser, dort stünden neben dem bestehenden Tramgleis eine Autospur pro Richtung zur Verfügung. So würde zwischen Stargarder und Wichertstraße die gesamte östliche Fahrbahn frei, die man zwischen der Tram, dem Fuß- und Radverkehr aufteilen könnte.
Ausführlich in der Öffentlichkeit diskutiert, landete das Vorhaben sogar im Koalitionsvertrag, der unmissverständlich forderte, dass die Umbaupläne vorangetrieben werden sollen:
Die Koalition will den Straßenraum gerechter nutzen und noch
Koalitionsvereinbarung zwischen SPD, Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen für die Legislaturperiode 2016-201, S.38
mehr lebenswerte Straßen und Plätze schaffen. Dabei soll auch die temporäre Umnutzung erleichtert werden. Die Pläne zum Umbau der Schönhauser Allee werden weiterverfolgt.
Nach kurzer Prüfung und erwartbaren Urteil landete dieser Entwurf flugs in der Schublade der Verkehrsverwaltung: „nicht machbar“ (Verkehrsfluss der Autos wird behindert).
Wir gaben uns nicht zufrieden damit und probierten es einfach aus, für drei Stunden: wie fühlt es sich an, wenn man nicht im Fußgängerstrom die Gehwege entlanggespült wird, sondern einfach mal stehen bleiben kann, wenn die Cafés mit mehr Tischen auf der Straße zum Verweilen einladen, wenn auch manch Radler überlegt, ob sie oder er hier nicht noch etwas auf dem Heimweg erledigen kann? Die Wissenschaft nennt so eine temporäre Erprobung Reallabor, in dem ein Experiment zeigt, wie die Menschen auf Angebote reagieren. Schön, wenn es klappt wie gedacht, falls nicht, wird die Versuchsanordnung das nächste Mal abgeändert.
So öffnete am 15.Juni von 15-18 Uhr ein Aktionsbündnis – bestehend aus „Stadt für Menschen„, der Landes- AG Mobilität der Bündnisgrünen , unserem Netzwerk Fahrradfreundliches Pankow (als Teil von Changing Cities), der Elterninitiative sicherzurschule.berlin, der AG Mobilität von Greenpeace und weiteren Initiativen – die Straße für die Menschen. Fuß, Rad und Tram – die Schönhauser bot Raum für den gesamten Umweltverbund, wenn das Auto den Platz freigibt.
Wir diskutierten mit Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Aktivist*innen und Planer*innen, wie menschenfreundliche Straßengestaltung auch in Berlin möglich wäre.
Wie reagieren die Menschen auf den gewonnenen Platz, steigt z.B. die Rücksicht, wenn die Flächenkonkurrenz abnimmt? Statt einer klassischen Fußgängerzone wie in deutschen Stadtzentren orientierten wir uns eher an „shared spaces“, wie sie in z.B. in Holland funktionieren (das Fremdeln der Planer mit dem Konzept sieht man an der Unwirtlichkeit der hiesigen Variation „Begegnungszone“ und der resultierenden Skepsis der Berliner*innen)
Doch solange weiter „geprüft“ wird und die Blechlawine weiter rollt, braucht der zunehmende Radverkehr unverzüglich mehr Sicherheit!
Deshalb rollten wir den Radler*innen den grünen Teppich aus –
auf dem Parkstreifen der Schönhauser Allee stadtauswärts. Sie konnten erfahren, wie angenehm es sich auf einer Pop-up Protected Bike Lane radeln lässt – und den Stress auf dem überfüllten Schmalspurradweg vergessen – zumindest für drei Stunden.
Bezirksamt und Senats-Verkehrsverwaltung verkündeten, dass sie nun die Umgestaltung der Schönhauser Allee angehen wollen – nein, nicht bauen, aber die Machbarkeit für einen sicheren Radstreifen pro Fahrtrichtung zwischen Stargarder und Wichertstraße soll geprüft werden. Wir bleiben dran!
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